Wilhelm Heinemann - Briefe aus Weltkrieg 2

20.05.1940 (Empfänger unklar)

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Birkenfeld, 20.5.1940

Ihr Lieben!
Eure beiden Briefe vom 9.5. und vom 17.5. habe ich heute bekommen. Habt recht herzlichen Dank dafür. Warum ich zu Rosi's Geburtstag nicht geschrieben habe, werdet Ihr jetzt wohl wissen. Kuchen kann ich jetzt nicht mehr brauchen, weil wir keinen Platz dafür haben. Am 14.5. sind wir von Ettlingen abmaschiert. In fünf Nachtmärschen haben wir ungefähr 210 Km zurückgelegt. 1,5 Tage Ruhe haben wir begrüßt wie 14 Tage Urlaub. Des Nachts haben wir gefroren wie ein Schneider. Jetzt sind wir noch 60 Km von Trier entfernt. Eben bekam ein Freund von mir seine Fotosachen geschickt. Von dem Negativ (Platte) laßt bitte einmal 10 Abzüge machen und schickt sie mir, aber nur höchstens 3-4 in einem Brief. Meine Eltern können ja auch einige mitschicken. Dann seid bitte mal so freundlich und schickt für meinen Freund 2 Agfa-Filme, Format 6x9: Metallspule.

Das Geld habe ich erhalten, das habe ich auch schon geschrieben. Anni Bolze hat sich verlobt! Das ist direkt ein Schlag ins Kontor für mich. Mußte sie sich verloben? Ich habe ja noch etwas Zeit. Ich kann heiraten, wenn ich 23 Jahre alt bin, eher nicht. Aber wer weiß. Von Ilse Schieseck habe ich heute eine Karte bekommen. Die Adresse hat sie von Onkel Otto. Jetzt wundere ich mich nur darüber, daß Onkel Otto mir nicht schreibt. Ich schreibe jedenfalls nicht eher hin, bevor ich nicht von ihm Post habe.

Morgen früh um 4 Uhr geht es weiter. Weihnachten (vielleicht auch schon an meinem Geburtstag) denkt wahrscheinlich keiner mehr an diesen Krieg. So schnell geht das, daß wir uns beeilen müssen um noch nach zukommen. Mir geht es aber sonst noch ganz gut. Nur mein linker Fuß ist nicht ganz in Ordnung. Die Flugzeuge (JU 52) sind von früh bis spät unterwegs. Wer weiß, was die alles an die Front bringen. Schreibt bald wieder.

Grüßt bitte alle und seid selbst recht
herzlichst gegrüßt von
Eurem Willi.

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Ralf Stamporek