Wilhelm Heinemann - Briefe aus Weltkrieg 2

01.07.1940 (Datum korrespondiert nicht mit den Folgebriefen)

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1.7.40.

Liebe Eltern!

Entschuldigt bitte, daß ich Euch jetzt erst schreibe. Aber der hiesige Dienst hat mich bald wahnsinning gemacht. Gleich am Dienstag hatten wir den ganzen Vormittag Exerzieren, dabei hab ich mir die Lunge fast aus dem Hals geschrien. Man konnte so richtig merken, daß wir lange kein Exerzieren hatten. Es wurde verdammt Zeit.

Ich bin also heil und gesund wieder hier in Bergen gelandet. Nachdem wir uns von dem ersten Dienst wieder einigermaßen erholt hatten, mußten wir den Nachr.-Zug einteilen zum Urlaub. Da aber nur jeden Tag einer fahren darf, war die Geschichte garnicht so einfach. Wir müssen nämlich 15 Pferde besorgen und haben außerdem an mehreren Orten Telefonwache zu stellen. Dazu müssen immer zwei Uffz. hier sein. Freiwillig bin ich mit einem Hannoveraner bis zuletzt hiergeblieben. Wenn nichts anderes dazwischen kommt, kann ich am 22.8. auf Urlaub kommen. Gern wäre ich eher gefahren, damit ich noch etwas vom Sommer habe und zur Badeanstalt gehen könnte, aber es ging eben nicht anders. Zuerst waren 21 Tage vorgesehen, aber es ist auf 14 Tage verkürzt worden. Vielleicht gibt es anschließend die restlichen 8 Tage, aber wie das noch kommt, weiß keiner. Vielleicht kann ich dann noch einmal zu meinen Geburtstag kommen.

Heute sind wir wieder einmal gegen Typhus geimpft worden. Das ist bereits das vierte Mal in diesem Kriege. Und diese verdammten Sani-Brüder hacken die Spritze vielleicht in die Brust! An der betreffenden Stelle ist alles angeschwollen und hart wie Stein geworden. Dazu kommt noch ab und zu ein kleiner Schüttelfrost, das schönste aber ist, daß man sich kaum rühren mag, weil alles so schrecklich weh tut. Aber nach einigen Tagen ist alles wieder in Ordnung.

Leider mußten wir unsere Fahrräder abgeben. Nur zu gern hätte ich mein Fahrrad mit nach Haus gebracht. Befehl ist Befehl!

Wie geht es Euch sonst noch? Ich hoffe doch immer noch sehr gut. Vielleicht komme ich vor meinem Urlaub Sonntags noch einmal, das muß ich mir allerdings schwer überlegen. Schreibt mir bitte bald wieder. Die besten Grüße sendet

Euch allen Euer Willi

Ralf Stamporek