Wilhelm Heinemann - Briefe aus Weltkrieg 2

25.06.1940

 

25.06.1940: Ein Klick auf die Briefseiten öffnet große Bilder

25.6.40.

Liebe Eltern!

Nachdem nun auch Italien den Waffenstillstand unterzeichnet hat und die Waffen, von der Pistole bis zum schwersten Eisenbahngeschütz, hier in Frankreich schweigen, will ich es nicht versäumen, Euch ein paar Zeilen zukommen zu lassen. Als wir gestern Abend kurz vor 22.00 Uhr die Sondermeldung des Waffenstillstands hörten, waren wir kaum noch zu halten. Schade, daß hier keine Kneipe ist oder daß wir kein niedliches Fäßchen hier hatten, dann wäre es bestimmt rund hergegangen. Aber so mußten wir uns auf unser kümmerliches Strohlager packen. Es ist ja eine Schande, daß es für eine siegreiche Armee keine besseren Quartiere gibt als einen schäbigen Strohboden. Ein Glück, daß wir noch soviel Kraft hatten, damit wir es uns wohnlich einrichten konnten. Jetzt haben wir sogar elektrisches Licht und Radio hier oben. Einige Kameraden wollten die Übertragung um 01.35 Uhr hören und ließen das Licht brennen. Die Fliegen kamen dadurch nicht zur Ruhe und tanzten uns immer im Gesicht herum. Zog man sich die Decke über den Kopf, konnte man es vor Hitze nicht aushalten. Also mußte man schon wach bleiben. Für mich war es doppelt unangenehm, weil ich U.v.D. war und eher aufstehen mußte. Aber die Zeit ging auch vorbei. Endlich kam die Übertragung. Aber wir hatten uns doch etwas mehr vorgestellt. Es wurden einige Worte gequasselt und dann hörte man das Signal: Das Ganze.... Halt! Danach wurde das Dankgebet "Wir treten zum Leben" gesungen. Als Abschluß das Deutschland- und Horst-Wessel-Lied. Damit war Schluß. Hätten wir gewußt, daß nicht mehr kam, wären wir nicht wach geblieben. Aber wir haben den Waffenstillstand miterlebt! Jedenfalls wollen wir froh sein, daß wir hier alle mit heilen Knochen davon gekommen sind. Denn es hätte ganz gut eine Fliegerbombe in unsere Reihen einschlagen können. Allerdings kamen die fdl. Flugzeuge nur des nachts, und da hatten sie kein sicheres Ziel. Ich habe Euch nun eine Karte mit unserer Marschroute und Zeit mitgeschickt, damit Ihr wißt, wo ich war und wo ich jetzt bin. Wenn Ihr eine kleine Abwechslung für mich hättet, wäre ich Euch sehr dankbar. In der Hoffnung, daß es Euch noch so gut geht wie mir und wir uns bald wiedersehen, seid alle recht herzlichst gegrüßt von Eurem Willi.

senkrecht nach oben: Schreibt bitte bald wieder! Grüße an alle!

Ralf Stamporek