Wilhelm Heinemann - Briefe aus Weltkrieg 2

24.05.1940: Luxemburg

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Umschlagnotiz von Tante Lieschen:
Liebe Emma u. Willi !
Heute morgen kam dieser Brief. Es war niemand zu Hause und hatte die Post ihn wieder mitgenommen. Ich ging dann hin, weil ich nicht wußte was es war. Hilde und ich haben dann den Brief erst gelesen und schicke ich denselben sofort ab. Laßt uns immer mal wissen wann Willi geschrieben hat, da doch jetzt alle Post nach Euch geht. Sonst alles beim Alten. Herzlichen Gruß Lieschen.

Liebe Eltern!
Eine einstündige Marschpause will ich dazu benutzen, Euch einen Brief zu schreiben. Bei uns geht es immer eisern vorwärts. Am 22.5.40 mittags 13.25 Uhr haben wir die deutsch-Luxemburgische Grenze überschritten. Übernachtet haben wir in einem Hotel in Echternach. Die Bevölkerung ist an und für sich ganz nett zu uns gewesen. Wer weiß, wie es in Belgien wird, denn heute noch marschieren wir in Belgien ein. Ein luxemburgischer Frank hat einen Wert von 10 Pfennig. Ich hab mir Wurst gekauft, damit komme ich acht Tage mit aus, dafür hab ich 2 M bezahlt. Abends bin ich in unser Hotel gegangen und hab was gegessen. Für 4 Scheiben Brot, 1 Tasse Kaffee und ein Bier mußte ich 35 Pfennig bezahlen. Schade, daß wir nicht länger hier sind. 1/2 Liter guter Wein kostet ebenfalls nur 15 Pfennig. Ich bin gespannt, wie wir in Belgien leben werden. Von der ewigen Marschiererei wird man doch langsam weich. Seit dem 14.5. haben wir knapp 400 Km zurückgelegt. Luxemburg hat schöne Straßen, aber ewig geht es bergauf und bergab.

Von der Sonne wird man jeden Tag brauner, so unbarmherzig brennt sie auf uns herab. Von den Anstrengungen hat mir schon zweimal die Nase geblutet. Ein Glück, daß wir ab und zu aufsitzen dürfen. Die Luxemburger sind doch ein wenig überrascht gewesen über unsere Stärke. Jedenfalls sind sie mehr darüber erfreut, daß die Deutschen gekommen sind. Von den Franzosen wollen sie nicht viel wissen. Gestern hab ich die ersten 20 Gefangenen gesehen.

Mit den Rauchwaren, die ich schicken will, müßt Ihr noch etwas Geduld haben. Wenn der Marsch jedesmal zu Ende ist, bin ich jedesmal froh, wenn ich mich umhauen kann. Mir geht es aber sonst noch ganz gut, auch mit meinen Füßen bin ich jetzt zufrieden. Und wie geht es Euch noch? Habt Ihr meine andere Post schon bekommen? Ich muß sehr mit dem Briefpapier sparen.

Nun grüßt bitte Wiedemanns und Eggelings von mir und seid selbst recht herzlich gegrüßt

von Eurem Willi

Ralf Stamporek